Der Generationenvertrag nur noch ein Torso, die Eigenversorgung noch nicht im Bewusstsein: Verpassen die Deutschen den Wandel?

 

Autor Holger Hieke über Zuversicht, Vertrauen und urdeutsche Skepsis...

 

 

 

Das Zerrbild

 

Ich bin ein 60er Jahrgang; Sie wissen schon: »Babyboomer«. Die Zeit meiner Kindheit prägte vor allem die unbeirrbare Zuversicht auf eine bessere Zukunft. Es war Aufbruch spürbar. Die Wirtschaft: brummte, die Autos: wuchsen, die Winter: schneereich, die Lohnsteigerungen: mehr als angemessen... Selbst die 68er konnten den Glauben auf Sicherheit und Stabilität nicht erschüttern, im Gegenteil.

 

Private Vorsorge? Pah! Die Vision des umlagefinanzierten Vollversorgungsmodells hatte sich endlich und endgültig erfüllt. Der Generationenvertrag für die Ewigkeit! Als ich ins Berufsleben trat, da brauchte mir so ein Versicherungsfuzzi wirklich nichts von Rente erzählen...

 

Doch das Ende der Zuversicht kam jäh. Inzwischen sind die Winter zu warm, der Wasserpegel steigt, Ressourcen sind geplündert, die Wirtschaft taumelt ein ums andere mal und die Rente befindet sich in freiem Fall. Nichts mehr hat seinen angestammten Platz in unserer Zuwachs-Wertematrix. Ist Marktwirtschaft noch moralisch? Sport noch fair? Zukunft besser als Vergangenheit? Banken wirklich seriös? 

 

Wir sind staunende Statisten im Zerrbild einer deformierten Gesellschaft. Die Pille und der daraus folgende Geburtenknick entfalten ihre ganze Wirkung. Unsere Kinderfeindlichkeit hat aus einer ehemals stabilen Bevölkerungspyramide eine fragile Säule mit Wasserkopf geformt – ein Atompilzmodell ohne statischen Unterbau. Die gute Nachricht: Die Babyboomer sind noch Beitragszahler. Die schlechte: In 20 Jahren werden sie es sein, die unsere Kassen leersaugen.

 

Fast belustigt schauen die Allermeisten zu beim Countdown zur sozialen Implosion. Die Entgeltumwandlung, die nichts weniger ist als ein hocheffizienter Rückfluss von Steuern, Sozialabgaben und Lohnnebenkosten, etabliert sich in Großbetrieben nur halbherzig, in mittelständischen und Familienunternehmen oft gar nicht. Auch die Reform von 2019 mit einem vorgeschriebenen 15-Prozent-Anteil des Arbeitgebers hat nicht wirklich viel daran geändert.

 

Auch die Einstellung zu den "Fuzzis" hat sich nicht nicht geändert. Man könnte in ihnen durchaus Vertreter eines neuen Generationenvertrags sehen, den die Politik spät aber mit viel Augenmaß in Gesetzen verfasst hat. Doch die Mehrheit hält sie für Provisionsjäger (stimmt), falsche Botschafter des Niedergangs (stimmt nicht), schlechte Berater (leider oft) und gute Schauspieler (leider selten).

 

Die Unlust am Thema korrespondiert direkt mit dem Unverständnis für die politischen Motive hinter den Gesetzen und der seltsamen Skepsis gegen jedes Geschäft, das andere mit uns machen möchten, auch wenn es uns Vorteile bringt.

 

Während professionelle Anleger um jeden Prozentpunkt Rendite kämpfen, werden staatliche Förderungen weit über 50 Prozent (und deutlich mehr  mit kluger Lohnbuchhaltung) zerredet oder angezweifelt. Gesetze mit überzeugender Lenkungsfunktion und der entscheidenden Initialwirkung zur Vorsorge (!) drohen zu scheitern an Klischees, Furcht und oft schlicht an der Lust, das Haar in der Suppe zu finden.

 

Uns selbst bescheren wir so eine dramatische Altersarmut – und unseren Kindern eine schockierende Hypothek. Tun wir etwas dagegen!